Project Stratosphere
Wir starten einen Stratosphären-Ballon
24. August 2019
Ich weiß, ich weiß. Wetterballons wurden schon von vielen anderen Gruppen gestartet. Aber es ist trotzdem ein schönes Projekt, und bietet einige Herausforderungen, wenn man viele der Einzelteile selbst macht. Die Grundidee ist einfach: Baue eine Kamera an einen Heliumballon, und lasse ihn in die Stratosphäre aufsteigen. Der Ballon platzt auf einer gewissen Höhe durch den sinkenden Umgebungsdruck, wodurch die Kamera wieder zu Boden fällt. Natürlich werden noch einige weitere Dinge benötigt, wie ein Fallschirm für eine sanfte Landung, und die Möglichkeit, das Gerät nach der Landung wieder zu finden.
Ich hatte die Idee 2018 meinen Freunden mitgeteilt, und unser urspünglicher Plan sah den Start im April 2019 vor. Wie es aber so oft ist, hatten wir doch auch andere Dinge zu tun, und kamen nicht so schnell voran wie erhofft. Es gab auch einige Dinge, die wir anfangs nicht bedacht hatten, was uns zusätzliche Zeit kostete.
Vorbereitung
Das Herzstück der Elektronik ist ein altes iPhone 6, was kleinere Defekte hat, die für die Mission nicht relevant sind. Smartphones eignen sich erstaunlich gur für solche Zwecke, da sie bereits eine Batterie, GPS, eine Mobilfunkverbindung, und eine akzeptable Kamera besitzen. Das iPhone stellt sogar direkt eine Möglichkeit der Lokalisierung über Find My iPhone zur Verfügung. Wir brauchen nur einen Möglichkeit, automatisiert Videos und Bilder und weitere Telemetriedaten aufzuzeichnen. Dafür schrieb ich eine einfache App, die alle verfügbaren Sensoren aufzeichnet, und in regelmäßigen Intervallen Bilder und kurze Videos macht. Der Speicherplatz des Geräts ist leider zu begrenzt, um kontinuierlich aufzuzeichnen. Wir schicken auch einige Daten periodisch an einen Flask server, den einer meiner Freunde geschrieben hat. So können wir die Position des Ballons auf einer Karte verfolgen, solange eine Mobilfunkverbindung besteht.
Als nächstes müssen wir das Gerät vor Beschädigungen schützen. Während des Flugs müssen wir die kalten Temperaturen der oberen Atmosphäre überstehen, und bei der Landung soll natürlich auch nichts kaputt gehen.
Um das erste Problem zu lösen, wurde das iPhone in eine Styropor-Box gepackt. Zusätzlich versorgt eine kleine Power-Bank das Gerät mit Strom, sodass der Akku auch sicher für den gesamten Flug reicht. Wir wollten bei der Flugdauer eher konservativ schätzen, da wir nicht wussten, wann und auf welcher Höhe der Ballon platzen würde, und wie lange es dauern würde, das Gerät wieder zu finden. Wir unternahmen außerdem einige Versuche im Gefrierfach, um zu ermitteln, wann das iPhone sich durch die niedrigen Temperaturen abschalten würde.
Um den Fall zu verlangsamen benötigen wir einen Fallschirm, den ich aus einem alten Duschvorhang genäht habe. Ein initialer Test mit Abwurf von einer Drohne zeigte, dass dieser hervorragend funktionierte. Mit der Thermik des Nachmittags blieb der Versuchsaufbau deutlich länger in der Luft als erwartet. Angesichts dieser Resultate fügten wir noch einen Ausschnitt in der Mitte des Fallschirms ein, um einen schnelleren und kontrollierten Sinkflug zu erhalten.
Während des Zusammenbaus entschieden wir uns, noch eine weitere Kamera zu installieren. Wir wollten auch Richtung Boden filmen, während das iPhone horizontal aufzeichnet. Dafür nutzten wir eine einfache Action Cam, die trotzdem vernünftige Videos produziert.
Zu guter Letzt brauchten wir noch den eigentlichen Ballon, den wir online bestellen konnten. Die Heliumfüllung konnten wir im Baumarkt kaufen, und diese beiden Einkäufe stellten einen Großteil unseres Budgets dar.
Eine große Unbekannte bestand in den Bedingungen des Starttags. Wir wollten natürlich gutes Wetter, und im speziellen niedrige Windgeschwindigkeiten. Es gibt ein Online Tool, um die Flugroute solcher Ballons angesichts der erwarteten Windverhältnisse vorherzusagen. Dieses Tool nutzen wir regelmäßig, um eine Idee zu bekommen, wie weit unser Weg zum Einsammeln der Reste werden würde. Außerdem haben wir uns versichert, dass wir keine Startgenehmigung benötigen würden. Die nationale Luftfahrbehörde versicherte uns, dass für ungesteuerte Geräte unter 20 kg keine Erlaubnis benötigt wird.
Start
Nach vielen Verzögerungen stand endlich der Starttag an, und das Wetter war perfekt. Wir wollten möglichst früh starten (wir sind alle Langschläfer), um uns genug Puffer für die Suche nach dem Landeplatz zu lassen.

Die Füllung des Ballons benötigte etwas mehr Zeit als erwartet, aber um 8:25 Uhr war alles bereit für den Start. Eine kleine Randnotiz: Meine Haare sind nicht wirklich so grau wie auf dem Foto, das ist Pulver von der Verpackung des Ballons.
Unser Ballon stieg vergleichsweise schnell auf mit einer nahezu konstanten Geschwindigkeit von 5 m/s. Leider rotierte die Box relativ viel während des Aufstiegs, wodurch das Videomaterial primär geeignet ist, um Erbrechen herbei zu führen. Leider gab es auch noch ein weiteres Detail, was zu wir nich t bedacht hatten. Die Kamera des iPhones benötigt etwas Zeit, um sich an die Helligkeit der Umgebung anzupassen. Die programmierte Verzögerung war relativ kurz gewählt, was bei unseren Test in Gebäuden kein Problem darstellte. Aber in der Luft, an einem sonnigen Tag, waren die Bilder während des Flugs deutlich zu stark belichtet, und konnten kaum verwendet werden.
Flug
Der Ballon übertraf unsere Erwartungen und stieg bis auf eine Höhe von 34067 m über dem Meersspiegel, basierend auf den GPS Daten. Unser Ziel lag bei 30 km, womit die erreichte Höhe unerwartet war, insbesondere, da wir benötigte Menge Helium nur nach Augenmaß bestimmt haben. Die gezeigte Höhe ist eine Kombinatoion aus GPS und Druckdaten, da es zeitweise Aussetzer beim GPS gab, insbesondere direkt nach dem Platzen des Ballons. Die errechnete barometrische Höhe wird über 10 km relativ ungenau, war aber konsistent über den gesamten Flug.

Der Fall war relativ schnell während der ersten Kilometer, bedingt durch den niedrigen Umgebungsdruck. Aber der Fallschirm funktionierte zu unserer vollsten Zufriedenheit.
Trotz des bedauernswerten Verlusts von viel Video- und Bildmaterial konnten wir einige sehr schöne Panorama-Videos kurz vor dem Platzen aufzeichnen.
Der genaue Augenblick wurd auch von der Action Cam aufgezeichnet, inklusive der Einzelteile des Ballons.
Es gibt noch deutlich mehr Videomaterial, aber wir sind noch nicht dazu gekommen, alles zusammenzuschneiden. Das Meiste ist aber auch sehr verwackelt. Ich wollte noch einen Text mit der aktuellen Höhe in das Video einbauen, aber das ist nicht trivial, zumindest nicht für mich.
Landung
Die Landung geschah auf einem offenen Feld, was quasi perfekt geeignet war. Wir hatten befürchtet, es würde in einem Baum landen, oder im schlimmsten Fall auf einer befahrenen Straße.
Der Weg des ballons, inklusive des Falls waren recht nahe an den Vorhersagen des Online-Tools. Und durch die geringen Windgeschwindigkeiten war der Landepunkt nur etwa 30 km von unserem Startplatz entfernt. An manschen Tagen waren mehr als 300 km Entfernung vorhergesagt worden, teilweise bis in die Tschechische Republik.

Wir waren bereits während des Flugs in Richtung des erwarteten Landeplatzes gefahren, um angesichts der begrenzten Batteriekapazität möglichst wenig Zeit zu verlieren. Es stellte sich heraus, dass unsere Sorgen unbegründet waren, der Akku des iPhones war noch fast voll. Trotzdem ist das schnelle Aufsammeln natürlich wünschenswert, und wir waren bereits 14 Minuten nach der Landung vor Ort.
Die Finde mein iPhone Funktion funktionierte ohne Probleme, obwohl wir vor der Landung nur eine kurze Ortsmeldung bekommen konnten. Am Boden kamen aber wieder kontinuierlich Positionen an, wodurch das Auffinden sehr einfach war.

Das war's! Unser kleines Experiment war relativ erfolgreich, mit kleineren Problemen bei der Aufzeichnung von Bildmaterial. Ich würde gerne nochmal eine zweite Version bauen, und einige Details verbessern. Einerseits würde ich gerne das Helium durch selbst erzeugten Wasserstoff ersetzen, da Helium bereits jetzt eine knappe Resource ist. Ich möchte schon lange an einem Wasserstoffgenerator arbeiten, der mit Solarstrom funktioniert. Vielleicht gibt es ja bald dazu ein Update.