Splitboard-Tour Stubai
30. März - 3. April 2023
Tag 1
Früh um 5:30 Uhr klingelt der Wecker, kurz gepackt und dann los Richtung Süden. Mit gut Zeitpuffer kommen wir mittags am Hotel an, wo wir den Rest der Truppe kennenlernen. Ohne viel Zeremonie geht es nach Seduck, wo wir unsere Ausrüstung bekommen, und uns mit etwas Verspätung auf den Weg machen. Mangels Schnee in den niedrigen Lagen müssen wir in unseren Snowboard-Schuhen wandern. Mit dem Splitboard am voll vollgepackten Rucksack ist es relativ anstrengend. Die zu Beginn strahlende Sonne wird schnell von Wolken verschluckt, dann beginnt es leicht zu regnen. Wir ziehen noch unsere Regenjacken an, müssen dann aber nach ein paar Minuten vor strömendem Regen und Gewitter an einer Scheune Schutz suchen. Nach einigen Minuten Pause geht es dann weiter, und die Straße geht in einen Wanderweg über. Noch immer gibt es nicht ausreichend Schnee, und der Weg ist zeitweise relativ anspruchsvoll, besonders mit dem vielen Gepäck.

Dann kommen wir endlich zur geschlossenen Schneedecke, und können unsere Skier anschnallen. An einzelnen Stellen müssen wir wieder abschnallen, und an einem gefährlichen Hang gehen wir einzeln, um im schlechtesten Fall nicht gemeinsam von einer Lawine erfasst zu werden. Dann kommen wir an unserer Hütte an, die in den nächsten Tagen unsere Basis sein wird. Nach einem sehr üppigen Abendessen (Suppe, Salat, Knödel, Nachtisch) gibt es noch eine kurze Vorstellungsrunde und Lagebesprechung, dann geht es auch schon auf unser 6er Zimmer. Im Stockbett höre ich jemanden durch die Wand schnarchen, da bin ich froh nicht im Nebenzimmer zu liegen.
Tag 2
Nach einer erstaunlich erholsamen (kein Schnarcher im Zimmer) und warmen (ich habe ohne Decke geschlafen) Nacht geht es um kurz nach 7 zum Frühstück. Danach machen wir uns fertig, dann steht erstmal ein Lawinensuchtraining an. Nacheinander vergraben wir u. a. meinen Rucksack, um ihn dann mit LVS-Gerät zu orten und auszugraben. Leider bekommt mein Rucksack durch enthusiastisches Ausgaben zwei Löcher, die ich nach der Tour beheben muss. Dann steht unser erster Aufstieg an. Unser Ziel ist die Kräulscharte (3069 m), von der man auch noch auf einen nahen Gipfel steigen kann. Zu Beginn steigen wir bei Sonnenschein auf, sodass wir schnell die ersten Lagen loswerden müssen. Eine Stunde und ein paar Spitzkehren später legen wir eine erste kleine Pause ein. Die Sonne verschwindet langsam hinter einer Wolkendecke, während wir das nächste Stück unserer Route planen.

Der Bergführer lässt uns einigen Spielraum, und wir entscheiden uns über einen Grat zu steigen, um uns der Scharte mehr von Norden zu nähern. Der Aufstieg ist relativ mühelos, allerdings fällt mir auf, wie oft wir unsere Ausrüstung anpassen müssen. Steighilfe rein, Jacke ausziehen, Sonnenbrille verstauen, Bindung festziehen, Karte überprüfen usw. All die Dinge, die keine Doku oder Video erwähnt. Im Laufe des Anstiegs beginnt es leicht zu schneien, allerdings bleibt es mild mit wenig Wind. Langsam aber sicher schleicht sich Nebel ein, und die Navigation wird durch die mangelnde Sicht auf Gipfel deutlich erschwert.

Da wir die selbständige Tourenplanung lernen sollen und wollen, dürfen wir auch selbst unseren Weg suchen. Am letzten Abschnitt zur Scharte darf ich voran gehen. Der Nebel ist mittlerweile so dicht, dass keinerlei Landschaftsmale mehr erkennbar sind. Ich kann auf zwei Meter Entfernung kaum erkennen, in welche Richtung der Hang geneigt ist. Auch die Entfernungsschätzung ist durch die ständigen Richtungswechsel sehr schwierig. Mit GPS-Ortung, Karte und Kompass kann ich uns aber ans Ziel führen. Durch den stärker werdenden Schneefall sind die Bedingungen mittlerweile so schlecht, dass bei mir ernste Zweifel aufkommen, wie wir wieder von diesem Berg kommen sollen. Während der kurzen Pause mit Umbau der Splitboards werden meine Finger so kalt, dass sie teilweise taub werden. Auch Charlotte’s Stimmung ist durch die bevorstehende Abfahrt nicht gut, aber da müssen wir jetzt durch. Die ersten hundert Höhenmeter sind furchtbar. Durch die schlechte Sicht kann ich weder die Steilheit des Hangs noch die vielen Unebenheiten erkennen, und versuche einfach nur so gut wie möglich, den Anderen zu folgen. Mit geringerer Höhe wird die Sicht langsam besser, an einigen Stellen müssen wir allerdings flache Passagen mit einigem Kraftaufwand überwinden. Zwischendurch gibt es aber tolle Hänge mit wunderbarem Pulverschnee, die richtig Spaß machen. Langsam fühle ich mich auch sicherer auf dem Board, das sich auch sehr gut fährt. Nach gut 1,5 Stunden Abfahrt kommt auch endlich die Hütte wieder in Sicht. Die insgesamt sechs Stunden haben mich dann doch erschöpft, wie ich in der Hütte deutlich merke. Nach zwei Getränken und einem Käsebrot geht es mir aber wieder super, und dass üppige Abendessen (Gemüselasagne) und ein Bier vollenden die Regeneration. Nach der Tourenplanung für morgen geht es dann zügig ins Bett, da morgen das Wetter vor allem vormittags gut werden soll. Aktuell stürmt es draußen aber noch.
Tag 3
Auch wenn ich eigentlich kein Frühaufsteher bin, klappt das in den Bergen immer relativ gut. Aufstehen um 6 Uhr, unsere heutige Tour beginnt dann um kurz nach 7. Heute ist unser Ziel der östliche Knotenspitz, mit der Option bei schlechtem Wetter früher abzufahren. Das Wetter hält allerdings super, und wir schlängeln uns durch die imposanten Bergketten bei guter Sicht.

Zwischenzeitliche Uneinigkeiten bei der Lokalisierung unseres Wegs können wir in der Gruppe beheben. Mit kleineren Pausen erreichen wir unseren Anschnallpunkt nach etwa vier Stunden. Durch die guten Bedingungen können wir noch zu Fuß zum Gipfel aufsteigen, was laut unserem Bergführer etwa 15-20 Minuten dauern soll. Unser Weg führt aber durch steile Rinnen mit viel Schnee, die wir mühsam und mit Abstand durchsteigen müssen.

Ein anstrengender, aber für mich auch sehr spaßiger Aufstieg. Nach gut einer Stunde kommt der Großteil unserer Gruppe am Gipfel an. Alex ist am Anschnallpunkt geblieben, und Charlotte wollte sich das letzte Stück zum Gipfel dann nicht mehr antun. Nach ein paar kurzen Fotos steigen wir auf gleichen Weg ab, auch das ist durch den vielen Schnee ein Abenteuer.

Nach fast zwei Stunden kommen wir wieder bei unserer Ausrüstung an, und können uns für die Abfahrt bereit machen. Die führt uns dann über unberührte Hänge und durch tollen Tiefschnee nach unten, während die Sonne genügend lange durch die Wolkendecke bricht, um uns beste Sicht zu verschaffen. Bei diesen Bedingungen sind Abfahrten einfach ein Traum!

Heute bleiben uns auch flache Passagen erspart, und wir können mit kleinen Unterbrechungen zur Hütte durchfahren. Da wartet dann erstmal ein Getränk in der Sonne auf uns, bevor wir noch eine Übung zur Spaltenbergung starten. Auf einem kleinen Hügel üben wir die Rettung aus (fiktiven) Gletscherspalten mithilfe von diversen kleveren Knoten und Techniken. Dann dürfen/müssen wir noch kurz zusammengebunden am Seil abfahren, was ich (im Gegensatz zu den meisten) als amüsant empfand. Nach dem wie immer üppigen Abendessen folgt noch kurz die Besprechung der morgigen Tour, und eine Nachbesprechung der Rettungsmethoden. Dann gönne ich mir meine erste (kalte) Dusche und ein Bier zum Ausklang des Tages.
Tag 4
Unser heutiges Ziel ist die Wildgradscharte, die im Gletschergebiet liegt. Wir müssen also potenziell am Seil gehen, und einen Klettergurt einpacken, haben aber früh keine große Eile.

Der Beginn der Tour führt uns in der Nähe eines Bachlaufs nach Südwesten, und wir gehen die ersten Stunden hauptsächlich durch flaches Gelände. Nach einem kleinen Anstieg kommt die Sonne über die Bergkette und bringt ordentlich Wärme mit.

Unser Weg führt uns dann durch ein sonnenbeschienenes Tal, und nach einem weiteren Anstieg am Rande des Gletschers können wir schon unser Tagesziel erblicken. Gemächlich arbeiten wir uns auf die Scharte hoch, die zwar teilweise sehr steil ist, aber durch die günstigen Schneeverhältnisse trotzdem unproblematisch ist. Wie gestern können wir noch optional das letzte Stück zu Fuß aufsteigen, was nur ein Teil der Gruppe nutzt.
Teilweise machen sich die Anstrengungen der letzten Tage eben in der Gruppe bemerkbar. Ich habe noch ein paar Reserven, und der Aufstieg gestern hat auch viel Spaß gemacht.

Der Weg nach oben ist kürzer und einfacher als gestern, und bietet nochmal einen schönen Ausblick.
Nach diesem kurzen Ausflug ist dann alles bereit zur Abfahrt. Wie üblich fahren wir die Teilstrecken nacheinander ab. Die Bedingungen sind wieder sehr gut, auch wenn der Schnee schon etwas griffig wird. An einem Abschnitt zwischen Felsformationen fahre ich an letzter Stelle, und komme an eine Kante, die ich mangels Sicht auf das dahinterliegende Gebiet lieber langsamer überfahre. Unten sehe ich dann ein anderes Gruppenmitglied liegen, der sich nach einem Sturz gerade aufsetzt. Noch während ich zu ihm fahre legt er sich wieder hin, was kein gutes Zeichen ist. Bei der Erstversorgung zeigen sich mehrere Verletzungen: Rippen, Handgelenk, Schulter, und Nackenschmerzen. Er lässt sich kaum bewegen, und hat auch sonst relativ starke Schmerzen. Zwei aus unserer Gruppe fahren ab, um die Bergrettung zu alarmieren, wir haben mangels Empfang keinen Kontakt zur Außenwelt. Während wir darauf warten, dass hoffentlich ein Hubschrauber kommt, versuchen wir den Verletzten so gut es geht zu versorgen. Er wird in alle entbehrlichen Kleidungsstücke gepackt und mit Rettungsdecke und Notfall-Biwak überdeckt, und bekommt auch leichte Schmerzmittel. Die psychologische Betreuung spielt aber auch eine große Rolle. Er macht sich selbst Vorwürfe, und hat natürlich große Sorge um seine Gesundheit. Er war bei dem Versuch, über einen plötzlich sichtbaren Stein zu springen, auf und über einen dahinter liegenden Stein gefallen. Seinen Helm ziert eine deutliche Delle, hat ihn aber wohl vor deutlich schwereren Verletzungen bewahrt. Nach einiger Wartezeit stellen wir uns schon darauf ein, ihn mit einem Nofallschlitten ins Tal zu tragen. Die Wetterverhältnisse sind mit einem hohen Nebel nicht die Besten, weshalb eine Luftrettung fraglich ist. Kurz bevor wir anfangen, den Schlitten zu bauen, hören wir doch das erlösende Geräusch des Helikopters. Der kann allerdings mangels Sicht nicht landen, und wir müssen den Verletzten zu einem Vorsprung schleifen, und ihn in den schwebenden Helikopter zerren, während uns der Schnee durch den Rotor nur so ins Gesicht peitscht. Irgendwie schaffen wir es dann, und der Heli fliegt davon.
Nun müssen wir noch seine Ausrüstung zur Hütte bekommen. Unser Bergführer nimmt meinen Rucksack, während ich mir den zusätzlichen Rucksack und das Splitboard anschnalle. Damit fährt es sich etwas schlechter, die langen flachen Passagen stellen aber das größere Problem dar. Nach viel Laufarbeit kommen wir dann um kurz vor 18 Uhr an der Hütte an. Hier werden natürlich erstmal die wichtigsten Informationen in der Gruppe ausgetauscht. Beim Abendessen kommt dann eine erste Information aus dem Krankenhaus: Gebrochenes Handgelenk, mehrere angebrochene Rippen, Gehirnerschütterung, leichte Schulterverletzung, und ein angebrochener Halswirbel. Hoffentlich alles Dinge, die wieder gut heilen werden. Nach dem Abendessen gibt es dann noch einen Schnaps auf die Aufregung und ein Ständchen eines Gruppenmitglieds auf der Hüttengitarre, damit endet dann auch dieser sehr ereignisreiche Tag.
Tag 5
Im letzten Tag steht noch eine kurze Übung zur Spaltenbergung an. An der Außentreppe der Berghütte üben wir, uns selbst am Seil aus einer Spalte zu ziehen. Ich muss hier leider aussetzen, seit einem kleinen Sturz mit dem vielen Gepäck gestern habe ich etwas Schmerzen in der Schulter.

Danach geht es dann schon runter ins Tal. Es gab noch die Option eines kurzen Aufstiegs, der uns bei guten Bedingungen eine Abfahrt ins Tal ermöglicht hätte. Aufgrund des geringen Schneefalls hätten wir aber unsere Boards aber einen Großteil des Wegs tragen müssen. So fahren unsere Boards mit der Seilbahn ab, während wir eine entspannte Wanderung zurück zu unseren Autos beginnen.

Bei bedecktem Himmel geht es den gleichen Weg hinunter, den wir vor vier Tagen aufgestiegen sind. Es ist nochmal eine ganz schöne Wanderung, und ohne die schweren Boards auch nicht anstrengend. Am Parkplatz geben wir noch unsere Leihausrüstung zurück, dann geht es auch schon Richtung Heimat. Damit endet wieder eine spannende Tour, die nicht nur durch den außergewöhlichen Rettungseinsatz unvergesslich bleiben wird.
Video
Während des ersten Tags hatte ich die Idee, ein Video über die Tour zu drehen. Ohne eine klare Vorstellung, wie das am Ende aussehen sollte, begann ich einfach, gelegentlich kleine Aufnahmen zu machen. Nach der Tour musste ich dann aus diesen zusammengewürfelten Eindrücken ein (einigermaßen) kohärentes Video schneiden. Das Ergebnis gibt's unten.